Rennbericht von Alexander De Werth / Colnago Cycling Festival

Meine erste Anmeldung für ein Radrennen, hab ich hoffnungsvoll im November 2019 gemacht. Nach langem Überlegen, was wohl das beste Rennen für meinen Einstieg in einen Grand Fondo wäre, habe ich mich für das Colnago Cycling Festival (CCF), in Desenzano am Gardasee entschieden. Nicht ganz zufällig und ohne Hintergedanken, denn seit über 20 Jahren zählt das Gebiet des südwestlichen Gardasee’s zum meinem Hometurf für Bike-Abenteuer. Ein Ideales Gebiet für einsame MTB-Touren und ganz bestimmt auch für schöne Rennradausflüge. Mein absoluter Favorit ist dabei die Gardasee-Umrundung. 

Im Programm des Colnago Cycling Festivals hab ich mir den Medio Fondo rausgesucht. Der Medio Fondo ist ein Kurs von gut 110 km und 1380hm, welcher von Desenzano in westlicher Richtung via Saló Richtung Riva führt und in Gardone über den historischen Vittoriale in die Berge führt und wieder zurück über Salo – Roe – Vorbano – den Cima Coste hinauf auf 580 HM und wieder via Gavardo zurück nach Desenzano führt. 

Für mich gab es eine kleinen strategischen Vorteil auf diesem Kurs: das steilste und anspruchsvollste Stück führt direkt unter unserem Feriendomizil vorbei.

Also meine Hausstrecke, von der ich hoffte, dass ich mich im Vorfeld zum Rennen auf diesem Stück ausführlich auf das Rennen vorbereiten konnte. Noch im November, Dezember 2019 und Januar 2019 hab ich jede Gelegenheit genutzt diesen Anstieg ausgiebig zu trainieren. Das Rennen war für den 5. April terminiert. Aber ihr ahnt es schon: Corona hat meine Vorstellungen vom Jahresanfang über den Haufen geworfen. Jedoch sind Italiener keine Kinder von Traurigkeit. Die Veranstalter haben sich nicht gleich ins Boxhorn jagen lassen, sondern noch im Mai einen Alternativtermin für den 5. Oktober angesetzt. Das kam mir sehr entgegen, hatte ich doch noch ein paar Monate Schonfrist und mehr Training geschenkt bekommen. 

Meine Frau und ich sind dann schon vier Wochen vor dem Rennen angereist, so dass ich meinen Anstieg immer und immer wieder trainieren konnte. Mein Fokus lag darauf, dass ich lernte mir meine Kräfte über die gesamte Strecke sauber einzuteilen und nicht dem Fehler verfallen alle Körner gleich zu Beginn zu verpulvern. 

Die Woche vor dem Rennen hab ich dann Besuch von meinem Patensohn bekommen, so dass ich vier Tage vor dem Rennen keine einzige Radeinheit absolviert habe – was auch gut war. 

Den Tag vor dem Rennen hab ich meinen Renner fit gemacht – Reifencheck, Flickzeug zam packen, Schaltung einstellen, Kette ölen und kleine Probefahrt, bis alles passt. Am Abend alles rausgelegt was ich während dem Rennen brauchte. Mein Plan war, dass ich mir von meiner Frau am Peak des ersten Anstiegs – also gleich bei uns vor der Haustür frische Wasserflaschen und was zum Essen bringen lasse.

Da ich noch nie ein Rennen gefahren bin, war meine Prioritätenliste: Nicht stürzen und vor dem Besenwagen heil Ankommen.

Mein Ziel war eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 25-26 km/h – äußerst zufrieden wäre ich gewesen, wenn ich es mit einem Schnitt von 27 km/h ins Ziel geschafft hätte und ich es damit vielleicht ins letzte Drittel des Fahrerfeldes geschafft hätte. 

Auf dieser Kalkulationsbasis hatte ich auch vorausberechnet, dass mich meine Frau um 8.30/8.45h am vereinbarten Treffpunkt abpassen kann um mir neue Verpflegung zu geben. Das wäre ca. 1h 30m nach dem Startschuss (ca. 40 km) gewesen. 

Für mich war dann am Renntag um 4.30 h aufstehen angesagt und erstmal ausgiebig Frühstücken. Nach einer schlecht geschlafenen und unruhigen Nacht, nicht gerade DAS Vergnügen sich noch im Halbschlaf die ersten Scheiben Vollkornbrot, ein Ei und Joghurt reinzudrücken. Aber was soll’s? Was muss das muss. Um 630h hat mich dann Daniel – ein Freund, der gerade bei uns zu Besuch war – mit den Auto zum Rennen gefahren. Daniel ist frühmorgens eher so der Wortkarge, was mir sehr entgegen kam. Ca. 10 Km vor Desenzano hat Daniel mich rausgelassen, so dass ich mich noch ein paar Minuten warmfahren konnte. Mit Licht Vorne und Hinten ging es, ausgestattet mit Corona-Maske, Bananen, Riegel und zwei Flaschen Wasser nach Desenzano in die Startblöcke. Ich war nicht der Einzige, der sich ausgiebig warmfahren wollte. So waren die Zufahrtsstraßen nach Desenzano erfüllt von weißen und roten Blinklichtern. 

Mit der Deutschen Brille betrachtet machen Italiener oft einen recht unorganisierten chaotischen Eindruck, aber wenn man mal vor Ort ist, ist alles meist selbsterklärend. Somit war es auch kein Problem meinen Startblock auf Anhieb zu finden. Coronabedingt waren die Startblöcke auch nicht wirklich voll gepackt. Ob das jetzt nun vom Veranstalter so geplant war, oder ob es einfach daran lag, dass durch die Terminverschiebung eh schon weniger Fahrer am Start waren, hat sich mir nicht erschlossen. Auf jeden Fall war die Startaufstellung angenehm entspannt. Zeit und Muße für ein erstes Foto bevor dann um 7.00h der Startschuss fällt. Um mich herum lauter Rennfahrer mit Masken und blinkenden Rücklichtern. Als es im Hintergrund zu dämmern beginnt findet ein kurze Willkommensansprache und an die Teilnehmer und die Pressevertreter statt. 

Mein Startblock ist irgendwo in der letzten Hälfte des Starterfeldes, so dass ich den Startschuss nicht höre, aber das Einrasten der Klickies bewegt sich wie eine Welle vom Marktplatz entlang des Seeufers bis zu mir vor und kündigt mir an, dass es Zeit ist. Wie von Geisterhand gehen vor mir und hinter mir die Startblockschranken hoch und wir legen los. Die Masken behalten wir zunächst alle auf. Meine Lichter habe ich inzwischen aus gemacht. Die Straßen sind ab hier alle gesperrt und die Sonne beginnt zaghaft die Landschaft zu erleuchten. Zügig, aber nicht zu stark trete ich locker in die Pedale. Voll auf mich, auf meine Wattzahl und meine Trittfrequenz konzentriert versuche ich meinen Rhythmus zu finden. Langsam beginne ich warm zu werden. Die ersten Kurven aus Desenzano heraus sind schnell geschafft. Immer wieder ermahne ich mich nicht zu schnell zu machen.

Kräfte sparen für die vor mir liegenden Anstiege, die ich teilweise gut bis sehr gut kenne. 

Aber wie das so ist, ist man im Wettkampf dann doch schneller unterwegs, als man sich vorher so vorgenommen bzw. vorab eingeschätzt hat. Die ersten 25km bis 30km zimmere ich einem Durchschnitt von um die 30km/h durch. Definitiv viel schneller als ich dachte. Aber das Gefühl ist sehr gut. Nur habe ich jetzt ein Problem, schießt es mir durch den Kopf: ich werde viel früher am Treffpunkt mit meiner Frau ankommen, als geplant! Zum Glück hatte ich für so einen Fall vorgesorgt und meine Sportkopfhörer schon vor dem Start mit dem Handy verbunden. Also hab ich meine Frau aus dem Bett geklingelt. Wegen dem Fahrwind hat sie nichts verstanden, von dem was ich ihr gesagt hatte, aber sie war jetzt wach, und konnte über das Live-tracking sehen, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt zum Anziehen und zum Treffpunkt gelangen. 

Kurz auf der Höhe von Saló überhole ich zwei Team-Alé-Kollegen aus unserem italienischen Team. Zeit für einen kleinen Small-Talk – Woher kommt ihr? Woher komme ich? Wer ist sonst noch am Start? Und die Frage warum Carola nicht mit am Start ist. Carola ist bekannt hier unten. Die Zwei Kollegen wollten sich noch überlegen, ob sie den Medio Fondo oder den Gran Fondo fahren sollen. Sie wollten bis zum Vittoriale abwarten und dann entscheiden. Nach dem Rennen als wir uns in Desenzano wiedergesehen haben, hat sich herausgestellt, dass sie sich für die lange Variante entschieden hatten. 

Mit über 40 km/h geht es den Berg hinunter an Saló vorbei und mit über 33 km/h weiter bis zum Vittoriale, wo ich in die erste Bergetappe – meinem Hausberg – einbiege. 

Gefühlt, wie eine senkrechte Hauswand hoch (11,5%) beginnen die ersten Höhenmeter. Richtiger Gang eingelegt, wie ich es immer und immer wieder geübt hatte, nehme ich die ersten Serpentinen in Angriff. Hier ist der Moment, wo mich die ersten Fahrer schnaufend überholen. Ich bleibe ruhig und versuche mit niedriger Wattzahl und lockerer Trittfrequenz den Puls ruhig zu halten und nutze die weniger hektische Phase für die zweite Banane und den ersten Riegel. Nach ca. der Hälfte des Anstiegs ist die erste Flasche leer und die Zweite zur Hälfte. Aber oben bekomme ich ja Nachschub. Jetzt ist die Zeit gekommen Schlagzahl zu erhöhen und ich überhole wieder die japsenden Kandidaten, die mich weiter unten noch so zuversichtlich überholt hatten. Locker und wie im Flug nehme ich die letzten Höhenmeter in Angriff und treffe gut eine halbe Stunde früher als geplant am vereinbaren Treffpunkt ein. 

Mein Frau steht mit einem roten Kleid bekleidet am Straßenrand und mit dem Beutel in der Hand, den ich ihr am Morgen hergerichtet hatte. Ein kurzer Stopp, die alten Flaschen gegen neue ausgetauscht, drei neue Bananen, zwei neue Riegel, ein Kuss und schon geht’s weiter. Nach den ersten 200 Metern nach meinen Stopp nehme ich aus der Ferne das typische Sirenengeheul der Italienischen Ambulanz wahr. Noch scheint die Ambulanz unten an der Gardesana auf Höhe des Vittoriale zu sein und ich hoffe er muss niemanden vor mir einsammeln – denn dann würde es sehr lange dauern…

Nach weiteren 10 Minuten habe ich Gewissheit: der Krankenwagen holt jemanden vor mit ab. Von hinten braust der Krankenwagen im Eiltempo links an uns vorbei. Vom Zeitpunkt als ich die Sirene das erste Mal wahrgenommen habe, bis zum Zeitpunkt als die Sirene kurzzeitig vor mir pausierte, sind bestimmt 20 Minuten vergangen. Viel Zeit, denke ich mir, die man als Verletzter warten muss bis man von der Strecke geräumt wird. Kurz darauf gehen die Siren wieder los und entfernen sich in Richtung Saló – für den Verletzten geht es auf den direkten Weg ins Krankenhaus. 

Ich passiere noch wie im Fluge San Bernado von wo aus man eine schöne Aussicht auf den Gardasee hat. Aber für schöne Aussichten hab ich keine Zeit, denn gleich geht es steil in eine rasante Abfahrt mit mehreren Spitzkehren runter zurück nach Salo. Auch hier merke ich, dass es sich auszahlt, dass diese Strecke zu meinem Hausberg zählt und diesmal kein Verkehr ist. 

Ich kenne jede Kurve aus dem FF und was ich jetzt sehr zu schätzen weiss, ist die Tatsache, dass ich jedes Schlagloch und jede Unebenheit auf diesem Straßenabschnitt mit Namen kenne. Dieser Abschnitt ist wirklich in einem erbarmungswürdigen Zustand und ich realisiere nach ein paar Metern, dass diese Kenntnis wohl, dem Kollegen, der gerade mit dem Sanka weggefahren ist, gefehlt hat. Sein Rad am Straßenrand schaut nicht gut aus. 

In dem Wissen, dass die Straßen gesperrt sind, biege ich die letzten Meter mit Vollgas auf die Hauptstraße ein, die zurück nach Salo führt. Auf dieser Straße kommen mir die letzten Nachzügler des Pelotons entgegen. 

Nach kurzer Zeit geht es via Roe nach Vobarno, wo sich der Himmel zuzieht. Bloß kein Regen jetzt, denn dafür wäre ich nicht ausgerüstet. Es wird kalt und ich merke, dass ich langsam machen muss, denn es liegt noch gut die Hälfte der Strecke vor mir. Das Fahrerfeld mit den Fahrern die wohl einen schnelleren Start hatten, als ich hole ich langsam aber sicher ein. Es bilden sich erste Gruppen mit unterschiedlichen Paces. Ich brauche eine kleine Pause, um was zu essen, zu trinken und Kräfte für den nächsten langgezogenen Anstieg zum höchsten Punkt zu sammeln. Also suche ich mir eine Gruppe mit einem guten Pace. Eine Gruppe die möglichst ruhig, aber zügig fährt. Ich finde ein Paar – ein Mann und eine Frau. Er fährt vorne weg und zieht die Frau förmlich hinter sich her. Ruhig und gleichmäßig schieben sie sich an den Gruppen vorbei. Ich breche aus meiner Gruppe aus, die mir eh zu unruhig war und hänge mich an den Hinterreifen der Frau. Mein Takt in dieser Kleingruppe ist schnell gefunden. Zeit um was zu essen, was trinken und Kräfte sammeln. Die Zehen fangen an zu frieren. Fuck! Bloß das nicht! Aber es lässt sich aushalten. So ziehen wir durch die Ebene bis Dosso Lupo. Plötzlich bricht die Verbindung zwischen dem Mann und der Frau ab. Warum merkt der Mann nicht, dass er seine Partnerin verliert? Ich überhole die Frau und biete ihr an, dass sie sich an mich hängen soll. Nach drei Kilometern sagt sie mir, ich soll nicht auf sie Rücksicht nehmen und sie lässt sich zurück fallen. 

So beginne ich meinen Anstieg zum höchsten Punkt der Tour, dem Cima Coste nach Kilometer 71 dieses Medio Fondos. Zwei Kilometer davor die Zwischenzeitnahme. Bergetappensieger werde ich zwar nicht mehr, aber ich bin bis hierher sehr zufrieden mit meiner Leistung. Ich hab noch Reserven und oben haben die Organisatoren eine Verpflegungsstation angekündigt.

Oben Angekommen merke ich, die Italiener haben nicht zu viel versprochen: Ein Großer Platz, links ein kleines , langgestrecktes Lager aus Zelten und Pavillons.

Laute, fröhliche Musik. Zum Einlass wird zum zweiten Mal heute Fiebergemessen. An den Stationen hat man die Wahl der Qual, zwischen Tee, Wasser, und irgendwas mit Elektrolyte. Daneben die obligatorischen Riegel und (!) ganze Sandwiches – wahlweise mit Salami, Käse und Parmaschinken. Etwas weiter haben sie sogar frischen Espresso. Eindeutig italienische Orga, was auch sonst? Verpflegung können die Italiener. Ich hab nur leider keine Zeit für die Köstlichkeiten, was ich auch irgendwie bereue, aber ich bin heute zum Rennenfahren hier und nicht zum Futtern. Gegessen wird später. Zwei Riegel, eineinhalb Bananen und vier Oreo’s geschnappt, alles gut im Trikot verstaut, Wasserflaschen aufgefüllt, eine Prise Salz rein, kurz schütteln und weiter im Text. 

Nach ein paar Minuten merke ich, dass der Himmel aufzieht. Die ersten zaghaften Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg auf die Erde und erwärmen die Luft. Nebelschaden ziehen auf und es wird merklich wärmer. Es geht ab jetzt in der Tendenz bergab. Sehr schön. Das heißt, ich kann den Pace erhöhen und Gas geben ohne viel Watt reinbuttern zu müssen. Denkste! Der Wind frischt auf – Gegenwind! Gefühlt blicke ich einen Steilhang hinunter, trete wie wild und komme gefühlt nur im Schneckentempo voran. Grad, dass ich nicht den Berg wieder hinauf geschoben werde zurück zur Verpflegungsstation. Diese Abschnitte kosten Kraft. Viel Kraft. Man will bergab nicht langsam, man will nicht vernünftig fahren. Man will Gas geben! Es ist zermürbend. Inzwischen merke ich, dass 25 KM vor dem Ziel auch noch die Muskeln zumachen. Um einen Krampf im rechten Oberschenkel zu vermeiden muss ich weiter treten. Keine Pause mehr für die Beine. Wenn ich durchkurbel ohne Pause, dann geht es. Ich schmeiße noch einen Riegel ein, eine Banane und unser Hammer Gel, mit Vanille Geschmack. Papsüß ist das Zeug, deswegen muss es helfen. So geht es eine gefühlte Ewigkeit den Hang hinunter, immer den Gegenwind im Gesicht. Aber was soll’s? Da muss man durch. Ich peitsche mich auf, um die Motivation oben zu halten –

Quäl Dich Du Sau! 

Auf Höhe von Bottenago, ca 18 Km vor dem Ziel lässt der Wind nach und ich kann durchstarten, wenn ich halt nur nicht schon bei der Gegenwindpassage so viele Körner verbraten hätte. Ich zwinge mich. Noch ein kräftiger Schluck aus der Hammer-Gel-Pulle, mit Wasser nachgespült – ein lautes Quäl Dich Du Sau! Und den Druck erhöhen. Mit einer Runden Geschwindigkeit von 29km/k und 34 Km/h (eine Runde hat bei mir 5 Km) fliege ich förmlich Desenzano entgegen. Kreisverkehr für Kreisverkehr nehme ich in Höchstgeschwindigkeit – eine brenzlige Situation wird von einem Streckenstuart gerade noch rechtzeitig entschärft, als tatsächlich ein Auto drohte vor mir in den Kreisverkehr einzubiegen, bevor ich mit fast 55 Km/h selbst in den Kreisverkehr einbiegen wollte. 

Ohne zu bremsen konnte ich aber meine Fahrt fortsetzen. Hinter mir höre ich die Standpauke, die der Stuart dem Autofahrer hält. Hi. Hi. Das ist schon super, Vollgas geben zu können mit geringen Risiko auf Autos zu treffen. Damit rechnen muss man aber immer. 

Mit 43,5 Km/h nehme ich die letzten 5 Kilometer in Angriff. Allerdings pfeife ich aus dem letzten Loch. Macht nichts. Bemitleiden und Wunden lecken kann ich später. Nur noch drei Kilometer, dann gibt’s ein Bier und ein Eis, motiviere ich mich. Die letzten 2000 Meter gehen am See entlang, die ich heute Früh, in der Dämmerung schon mal in Richtung Desenzano gefahren bin. 

Hinter den Absperrungen werden die Zuschauer langsam mehr. Allerdings bei weitem nicht so viel, wie es vielleicht wären, wenn wir kein Corona hätten. Damit fehlt auch jegliches laute Anpeitschen durch die Zuschauer. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur zu spät und die Zuschauer sind schon beim Mittagessen. Wer weiss. 

Dann hinter mir zwei Motorräder der Polizia und ein Auto der Carabinieri. Ich geb Gas und hole alles aus mir heraus was noch an Körnern vorhanden ist. Die Aussicht auf eine Polizeieskorte motiviert mich. Mit Polizei-Eskorte, überhole ich noch ein paar Fahrer, die sich da aber wohl nicht gefallen lassen wollen und ihrerseits nochmals alles geben. Am Ende verliere ich das Fotofinish. Die Jungs hatten dann auf den letzten Meter doch ein paar Körner mehr als ich.

Aber geil war’s! 

Immerhin bin ich meinen ersten Medio Fondo mit 110km, 1380 hm in 3:54:16 laut Strava mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 28,5 h/km gefahren. Nach dem ich mit einem Schnitt von irgendwas zwischen 24,5 und 26,5 gerechnet habe, bin ich mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.

Hinter dem Ziel gibt’s was zu essen. Eine ganze Tüte mit leckerem Essen und was zum Trinken. Vorher: wieder Fieber messen. Heute zum dritten Mal. So oft wurde bei mir noch nicht mal im Krankenhaus an ein und demselben Tag die Temperatur gemessen. Aber egal. Ich will nur sitzen und die müden Glieder ausstrecken. Nach vielleicht 45 Minuten sehe ich sie wieder: Die Fahrerin, die mich bei Vorbano mit ihrem Partner mitgezogen hat. Ich frage sie wo ihr Partner ist. Sie sagt sie kennt den Mann nicht. Er war einfach nur so nett sie ein Stück mitzuziehen. Sie sagte, sie wäre gerne noch hinter mir geblieben, aber bei Ihr haben dann einfach die Kräfte massiv nachgelassen und sie wollte sich schonen und ruhig zum Ende durch fahren. 

Dann sehe ich zwei Trikots vom MTB Club München. Zwei Herren, die sich in ihrem Urlaub kurz entschlossen hatten diesen Event noch mitzunehmen. 

Für mich war’s ein schöner erster Medio Fondo und mein Entschluss steht: nächstes Jahr bin ich wieder am Start: am 11. April 2021 steht der CCF 2021 wieder statt. Das nächste Mal peile ich Durchschnittsgeschwindigkeit von 30km/h an und eine Platzierung unter dem ersten Drittel der Teilnehmer. Wer von Euch hat Bock mit mir zusammen zu fahren? Im Team macht es bestimmt noch mehr Spaß und wenn wir kreiselnd Windschatten fahren können wir bestimmt noch mehr Gas geben.